Dr. Markus Reichel im Hintergrundmagazin Sachsen zur Außendarstellung des Freistaates Sachsen

Datum des Artikels 28.09.2018
Land

„Wir wuchern zu wenig mit unseren Vorzügen und unseren Kompetenzen.“

MIT-Chef Dr. Markus Reichel über die oft verkannte Rolle des Marketing

Sachsen steht wirtschaftlich gut da: Die sächsischen Unternehmen haben im Jahr 2017 Waren im Wert von rund 41,4 Milliarden Euro exportiert. Das ist der höchste Wert seit der erstmaligen Erfassung im Jahr 1991. Noch nie seit 1991 waren so wenige Menschen im Freistaat ohne Arbeit, wie im Juli 2018, der eine Arbeitslosenquote von 5,9 Prozent aufwies. Und dennoch sind positive Schlagzeilen über die sächsische Wirtschaft eher Mangelware Wir fragten vor diesem Hintergrund den Vorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Sachsen, Dr. Markus Reichel (Foto) „Schreiben wir uns künstlich klein?“

Herr Dr. Reichel, sind wir Sachsen zu bescheiden, um mit unseren Kompetenzen auch medial zu wuchern?

Naja, der Sachsen neigt ja schon gern dazu, sein Licht ein wenig unter den Scheffel zu stellen. Gleichzeitig verfallen wir aber auch gern der Illusion, „die besten Sachsen der Welt“ zu sein. Beides zusammen führt dann dazu, dass diejenigen, die über uns schreiben sollen und wollen, gar nicht so recht wissen, was sie  schreiben sollen und wir dann Dinge lesen müssen, die wir nicht lesen wollen.

Das klingt nach einem kommunikativen Dilemma...

... das aber ziemlich einfach aufzulösen wäre, wenn wir Sachsen - und da meine ich alle zusammen. Unternehmer, wie Politiker, Handwerker, wie Wissenschaftler,  aber auch alle in ihrem privaten Umfeld - damit beginnen würden, den Stolz auf unsere Stärken, auf das, was Sachsen ausmacht, nach außen zu tragen. Dieser Stolz ist ja da, aber wir zeigen ihn nicht oder zu selten.

Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Sachsen sind MINT-geprägt, also Naturwissenschaftler, ein Land der Ingenieure. Die tragen ihr Herz nicht auf der Zunge und ihre Gefühle nicht zu Markte. Hinzu kommt die soziale Prägung aus der Zeit der DDR. „Marketing“ war damals kaum ein Thema. Noch bis heute ist bei vielen Unternehmern hier im Osten daher die Ansicht tief verwurzelt, dass ein Produkt doch für sich selbst sprechen muss und es einer intensiven Werbung nicht bedarf. Eine aus meiner Sicht gefährliche Einstellung, die nicht nur den Zugang zu neuen Märkten erschwert sondern auch angestammte Marktpositionen kosten kann. Nur selbst von sich und seinem Produkt überzeugt zu sein, hat noch niemandem zu Weltruhm verholfen.

... was im übertragenen Sinne auch für die Politik gilt - Stichwort Imagekampagne ?

Wenn sie so wollen, ja. So hochgelobt, wie Sachsen in den 1990er Jahren war, so unterbewertet ist der Freistaat heute in der öffentlichen Darstellung. Und daran hat auch die Imagekampagne „So geht sächsisch!“ bislang nichts ändern können. Was mich aber auch nicht wundert, denn sie ist eindeutig zu defensiv ausgelegt, ihr fehlt es an Spritzigkeit, an Überzeugung und Strahlkraft, und sie enthält keine Visionen. Mir - und vielen Unternehmern aus der sächsischen Wirtschaft - fehlt die Herausstellung der sächsischen Stärken, auch der augenzwinkernde  Verweis auf unsere Schwächen, vor allem aber der erkennbare Wille und der Hinweis auf das vorhandene Potential, Veränderungen als Chancen zu begreifen.  Und der Kampagne fehlt es an einer klaren Koordination aller an der Imagebildung des Freistaates beteiligten ˆInstitutionen. Gleichwohl ist es gut, dass es die Kampagne überhaupt gibt - nur eben bedarf sie einer Neuausrichtung. Und dazu darf man gern auch die Wirtschaft in Entscheidungsprozesse einbeziehen...

Sie sprachen den öffentlichen Imageverlust Sachsens an - woraus resultiert er?

In den 1990er Jahren wurde überall in Deutschland Sachsen als das ostdeutsche Musterland dargestellt. Seit der Ereignisse in 2015 mit dem Erstarken von Pegida und unschönen Szenen vor Asylunterkünften, bekam dieses Positiv-Image tiefe Risse. Und wir alle haben wenig bis nichts dafür getan, dass aus diesen Rissen in der Fassade nicht ein veritabler Bauschaden wird! Aus meiner Sicht ist der Imageverfall nach wie vor reparabel, indem wir als Verantwortliche in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Themen bestimmen, über die wir eine öffentliche Berichterstattung wünschen. Das ist die Wirtschaft, das ist die Wissenschaft und das ist das große lobenswerte gesellschaftliche Engagement vieler Sachsen. Wenn wir aber als Unternehmer, als Politiker, als Wissenschaftler und Bürger diese positiven Schlagzeilen nicht liefern, brauchen wir uns über die Negativberichte nicht aufregen.

Was tut die MIT, um Positiv-Schlagzeilen aus Sachsen zu erzeugen?

Wir haben zum Beispiel 10 Kernthesen für einen erfolgreichen Mittelstand formuliert.Darüber möchten wir gern öffentlich diskutieren. Die CDU Sachsen hat dazu im vergangenen Jahr als einziger Landesverband einen Wirtschaftsparteitag durchgeführt. Das ist für mich eine positive Schlagzeile, denn nur mit einer guten Wirtschaftspolitik kann Wirtschaft auch tatsächlich gute Ergebnisse erreichen. Dazu muss Politik aber auch konsequent Wirtschaft denken - etwas, was auch in Sachsen noch ein Lernprozess ist... Wir haben das Starfög - eine Art Bafög für Start ups - initiiert und die Landesregierung hat es jetzt eingeführt. Sie sehen, die Wirtschaft hat immer Positives  zu  berichten.

Quelle: Hintergrundmagazin Sachsen

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